Stolpersteine in Völklingen

Stolpersteine sind Gedenksteine, die vor den letzten frei gewählten Wohnorten in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgter Menschen in das Gehwegpflaster eingelassen werden. Sie sollen an das Schicksal dieser Menschen erinnern, die zu Opfern des Nationalsozialismus wurden - verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben.

Im Juli 2012 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig sieben Stolpersteine in Völklingen. Die Initiative dazu ging vom Aktionsbündnis Stolpersteine Völklingen aus. Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Sonnenhügel unterstützen zusammen mit ihren Lehrerinnen das Projekt sowie alle weiteren Verlegungen. Im März 2013 wurden zehn weitere Stolpersteine in der Innenstadt sowie den Stadtteilen Luisenthal und Ludweiler verlegt. Im August 2014 folgten acht Stolpersteine in der Innenstadt sowie den Stadtteilen Heidstock, Fürstenhausen, Ludweiler, Geislautern sowie die Verlegung der Stolperschwelle für die Zwangsarbeiter der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke vor dem damaligen Haupteingang des Weltkulturerbes in der Rathausstraße. Im September 2022 wurden drei Stolpersteine in der Innenstadt und im Stadtteil Fürstenhausen verlegt

In Gedenken an den Tag der Befreiung vom Faschismus am 08. Mai 1945 und die Reichspogromnacht am 09.11.1938 werden die Stolpersteine jedes Jahr von Personen und Gruppierungen, die Patenschaften übernommen haben, geputzt.

Die folgende Liste enthält die in Völklingen verlegten Stolpersteine für Opfer des Faschismus. Es handelt sich um Opfer des Holocaust, Widerstandskämpfer, Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde und Zwangsarbeiter. Derzeit gibt es 30 Stolpersteine und eine Stolperschwelle in Völklingen, die Liste der Kurzbiografien ist noch nicht vollständig und wird derzeit aktualisiert.

Inschrift

HIER WOHNTE

ANDREAS CLOSEN

JG: 1896

VERHAFTET 1937

GRENZGÄNGER-

STREIK

BERGLEUTE

1938 „LANDESVERRAT“

GEFÄNGNIS LERCHESFLUR

ERMORDET 4.6.1938

 

Leben

Andreas Closen wurde am 02.08.1896 in Limbach, Kreis Saarlouis, geboren. Er war verheiratet mit Anna Maria Buß und hatte drei Kinder.

1937 erstmals als Rädelsführer von Unruhen und Protesten gegen die Einführung neuer Devisenbestimmungen verhaftet, erfolgte am 14.3.38 die erneut Verhaftung und Einlieferung in das Saarbrücker Gefängnis Lerchesflur. Hier starb er vier Monate später an den Folgen von Hunger und Misshandlungen. „Freunde der Familie, die den Sarg entgegen dem strikten Verbot der Gestapo öffneten, stellten fest, dass Closen bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen und der einst kräftige Bergmann schrecklich abgemagert war.“ (aus: Zehn statt tausend Jahre, Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar, S. 156)

Am 7.6.38 wurde Andreas Closen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt.

Inschrift

HIER WOHNTE

ANTON DETEMPLE

JG: 1905

IM WIDERSTAND / KPD

VERHAFTET 04.3.1939

Dachau

Flossenbürg

Entlassen 1941

Überlebt

 

Leben

Anton Detemple wurde am 26.06.1905 geboren. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Beruf: Kraftfahrer. 1928 Gemeindevorsteher in Lauterbach, zeitweise KPD-Ortsvorsitzender. Anton Detemple wurde 1939 verhaftet weil er Juden zur Flucht verholfen und sich im Abstimmungskampf für den Anschluss an Frankreich eingesetzt hatte. Beim Verhör wurden ihm zwei Backenzähne ausgeschlagen, er wurde misshandelt und anschließend ins Gefängnis Lerchesflur überstellt. Von dort kam er im April 1939 in die KZs Dachau und Flossenbürg.

Nach seiner Entlassung aus dem KZ im April 1941 wurde er dienstverpflichtet an die Ostfront nach Russland. Nach dem Krieg wurde Anton Detemple als Opfer des NS anerkannt und entschädigt. Er hatte Folter und KZ überlebt, aber schwere körperliche und seelische Schäden davongetragen. Anton Detemple verstarb am 31.07.1981.

Inschrift

HIER WOHNTE

SAMUEL BERMANN

JG. 1872

FLUCHT 1936

HOLLAND

INTERNIERT WESTERBORK

DEPORTIERT 1943

AUSCHWITZ

ERMORDET 5.2.1943

 

Inschrift

HIER WOHNTE

GERTRUDE BERMANN

GEB. HIRSCH

JG. 1885

FLUCHT 1936

HOLLAND

INTERNIERT WESTERBORK

DEPORTIERT 1943

AUSCHWITZ

ERMORDET 5.2.1943

 

Leben

Samuel Bermann wurde am 28. April 1872 in Osann an der Mosel als Sohn einer Winzerfamilie geboren. Er war in dritter Ehe mit Gertrude Bermann, geb. Hirsch verheiratet. Seine erste Frau Flora starb bei der Geburt des Sohnes Friedrich, seine zweite an einer schweren Erkrankung. Von Beruf Kaufmann, eröffnete er 1900 in Ludweiler ein Geschäft für Möbel, Arbeitskleidung und Heimtextilien. 1908 baute er ein Wohn- und Geschäftshaus in der Völklinger Str. 61. Im 1. Weltkrieg diente er als Soldat und erhielt als Ehrenauszeichnung das Eiserne Kreuz. Er und seine Familie waren fester Bestandteil der Ludweiler Dorfgemeinschaft. Dies änderte sich nach der Saarabstimmung 1935. Die Nazis hetzten gegen ihn, so dass er sich im Oktober 1935 gezwungen sah, Haus und Geschäft zu verkaufen und mit seiner Frau Gertrud und dem gemeinsamen Sohn Julius nach Holland zu emigrieren. Nach der Besetzung der Niederlande durch die Nazis wurden beide über das Auffanglager Westerbork nach Auschwitz deportiert und dort am 05.02.1943 ermordet.

Inschrift

HIER WOHNTE

JULIUS BERMANN

JG. 1924

FLUCHT 1936

HOLLAND

DEPORTIERT 1942

AUSCHWITZ

ERMORDET 30.9.1942

 

Leben

Julius Bermann, Sohn von Samuel und Gertrude Bermann, kam am 19. April 1924 in Ludweiler auf die Welt und lebte dort bis zur Flucht mit den Eltern nach Holland (1936) in der Hauptstraße 61 (heute Völklinger Str.). Er besuchte in Amersfoort die Schule und wollte Elektroingenieur werden. Am 21. August 1942 wurde Julius von seinen Eltern getrennt, nach Westerbork (NL) ins Auffanglager und von dort nach Auschwitz gebracht. Er wurde am 30.September 1942 im Alter von 18 Jahren ermordet.

 

Inschrift

HIER WOHNTE

KURT SALOMON BERMANN

JG. 1913

FLUCHT 1935

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1942

AUSCHWITZ

ERMORDET 19.8.1942

 

Leben

Kurt Salomon Bermann war der Sohn von Samuel Bermann aus dessen zweiter Ehe. Er wurde am 25.März 1913 in Ludweiler geboren. 1935, kurz nach der Saarabstimmung, flüchtete er nach Frankreich. Dort arbeitete er als Bauer in der Nähe von Bordeaux. Kurt Salomon heiratete eine Französin jüdischen Glaubens. Sie bekamen im Sommer 1942 ein Kind. 3 Monate später wurden sie verhaftet und in Auschwitz am 19.08.1942 ermordet.

Inschrift

HIER WOHNTE

WILHELM BERMANN

JG. 1880

FLUCHT

HOLLAND

INTERNIERT WESTERBORK

DEPORTIERT 1943

SOBIBOR

ERMORDET 2.7.1943

 

HIER WOHNTE

BERTA BERMANN-KELLER

JG. 1880

FLUCHT 1939 HOLLAND

INTERNIERT WESTERBORK

DEPORTIERT 1943

SOBIBOR

ERMORDET 2.7.1943

 

Leben

Wilhelm war der Bruder von Samuel Bermann. Er wurde am 08. Dezember 1880 in Osann an der Mosel geboren und war verheiratet mit Berta Bermann-Keller. Wilhelm hatte eine Schneiderlehre gemacht und zog nach Ludweiler. Dort eröffnete er eine Schneiderei in der Hauptstraße 60 (heute: Völklinger Straße 60). Er und seine Familie wurden nach der Reichspogromnacht am 11. November 1938 überfallen und ausgeraubt. Wilhelm Bermann wurde in sog. Schutzhaft genommen und vom 15. November bis 22. Dezember 1938 in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Er flüchtete am 24. Januar 1939 mit seiner Frau in die Niederlande. Die Eheleute waren vom 27. Mai bis 29. Juni 1943 in Westerbork im Sammellager untergebracht und wurden von dort aus nach Sobibor verschleppt. Wilhelm und seine Frau wurden am 2. Juli 1943 ermordet.

Wer überlebt hat

Samuel Bermanns Söhne aus erster und zweiter Ehe, Walter, Friedrich und Ludwig, waren bereits 1935 aus Deutschland geflohen. Ludwig baute sich ein neues Leben in Südafrika auf, Walter lebte in New York, nur Friedrich kam mit seiner Familie 1947 zurück ins Saarland und baute sich in Gersweiler eine Existenz auf. Er erfuhr erst 1951, was mit seinem Vater und seinen anderen Verwandten passiert war. Sein Sohn Richard beschäftigt sich bis heute intensiv mit der Erforschung ihrer Familiengeschichte und initiierte als Vorsitzender der Synagogengemeinde Saar die Stolperstein- Verlegung in Saarbrücken. Wilhelms Sohn Helmut wanderte in die USA aus und lebte wohl in New York. Mehr als 20 Familienmitglieder der Bermanns kamen im Dritten Reich ums Leben.

Inschrift

HIER WIRKTE

PHILIPP KAUFMANN

JG. 1896

GEMEINDEVER-
ORDNETER KPD 1932 bis 1935

IM WIDERSTAND

VERHAFTET 1944

BUCHENWALD

TOT 07.03.1945

 

Leben

Philipp Kaufmann wurde am 27.03.1896 in Ludweiler geboren. Er war verheiratet mit Lena Hoff. Von 1932 bis 1935 wirkte er als Fraktionsvorsitzender der KPD im Ludweiler Gemeinderat. Während des Abstimmungskampfes setzte sich Kaufmann öffentlich gegen die Rückgliederung des Saarlandes an das faschistische Deutschland ein. Dies führte zwei Jahre später zu seiner Entlassung bei der Saargruben AG, Grube Velsen. Wie vielen anderen saarländischen Antifaschisten wurde auch ihm vom Arbeitsamt eine Stelle im Ruhrgebiet zugewiesen. 1937 zog er nach Recklinghausen, später mit Frau und Kind nach Hüls und Marl. Hier half er während des Krieges russischen Zwangsarbeitern und war aktiv im Widerstand gegen die Nazis. Am 30. Oktober 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet. Seine Tochter Emmy bat schriftlich um seine Freilassung, diese Bitte wurde jedoch abgelehnt: Man könne ihm zwar nichts nachweisen, auf Grund seiner bekannten Einstellung werde er jedoch bis zum Kriegsende isoliert gehalten. Ende November 1944 wurde er nach Marl-Hüls in ein Lager der Chemischen Werke gebracht. Dort musste er hart arbeiten, wurde immer wieder verhört, misshandelt und geschlagen, schließlich am 17. Dezember 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert. Im Januar 1945 schrieb er an seine Familie: „Haltet den Kopf hoch – ich tue es auch, bis wir uns wiedersehen!“ Erst am 07. Juli 1949 erfuhr die Familie über die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, dass Philipp Kaufmann auf einem Außenkommando des KZ Buchenwald umgekommen sei.

Nach dem Krieg war in seinem Heimatort Ludweiler eine Straße nach ihm benannt. 1956 wurde dies wieder rückgängig gemacht. Die konservative Mehrheit im Gemeinderat wollte nicht, dass ein Kommunist auf diese Weise geehrt würde.

Inschrift

HIER WOHNTE

FREDI WIEDERSPORN

JG. 1924

EINWEISUNG 1939

PFLEGEANSTALT SCHEUERN

1941 HADAMAR

„VERLEGT“ 1941

SONNENSTEIN / PIRNA

ERMORDET 3.4.1941

AKTION T4

 

Leben

Johann Friedrich Wiedersporn wurde am 9. März 1924 geboren. Er war ein fröhlicher, lieber Junge, aber langsamer als seine Alterskameraden, geistig ein wenig zurückgeblieben. Im Völklinger Stadtteil Wehrden ging er zur Schule, spielte er mit den Nachbarskindern, fühlte sich in seiner Familie geborgen, bis die Schulbehörde den Unterricht in einer Anstaltsschule beantragte. So wurde er 1935 im Alter von elf Jahren in die Bildungs- und Pflegeeinrichtung St. Vincenzstift in Aulhausen eingewiesen, später (1937) in die Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern bei Nassau an der Lahn eingeliefert. Nach einem Ferienaufenthalt zuhause wollten die Eltern Fredi daheim behalten und er fand sogar eine Arbeitsstelle bei einer Wehrdener Firma.

Mit Schreiben vom 1. März 1939 wird dies abgelehnt. Fredi falle unter das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und werde daher „bis zum Abschluss der Unfruchtbarmachung in Ihrer Anstalt belassen“ (Schreiben des Reichskommissars für das Saarland an die Anstalt Scheuern).

Am 19. März 1941 wird Fredi Wiedersporn von Scheuern in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht, wo er im Zuge der Aktion T 4 zusammen mit 90 anderen Personen noch am gleichen Tag ermordet wird.

Die auf dem Stolperstein befindliche Aufschrift besagt, dass Fredi Wiedersporn am 03.04.1941 in der Anstalt Sonnenstein/Pirna getötet wurde. Diese falsche Angabe geht auf eine gezielte Täuschung der Todesurkunde durch das Standesamt Hadamar zurück. Todeszeitpunkt und -ort wurden gefälscht, damit die Familienangehörigen nicht misstrauisch werden sollten, wenn sie erfuhren, dass der Patient sofort am Einlieferungstag schon verstorben ist.

Auf dem You-Tube-Kanal des Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel ist ein 30-minütigen Film über Fredi Wiedersporn verfügbar:  www.youtube.de/AdolfBenderZentrum.

Inschrift

HIER PRAKTIZIERTE

DR. RUDOLF FROMM

JG. 1894

SCHUTZHAFT 1938

DACHAU

FLUCHT 1939

USA

ÜBERLEBT

Leben

Rudolf Fromm wurde am 20. Februar 1894 in Derichsweiler bei Düren geboren. Nach seinem Abitur studierte er Medizin in Kiel und Bonn. Während des 1. Weltkrieges unterbrach er sein Studium, um als Soldat für Deutschland zu kämpfen. Seine Verdienste im Krieg wurden mit zwei Eisernen Kreuzen gewürdigt. 1923 eröffnete er seine erste Arztpraxis in Altenkessel bei Saarbrücken, ab 1926 praktizierte er im eigenen Haus in Luisenthal (damals Obervölklingen), Bahnhofstr. 2. 1929 lernte er seine spätere Frau, die Zahnärztin Rose Meyer, kennen.

Zeitzeugen berichten, dass er wegen seines Einsatzes und seiner Hilfsbereitschaft hoch angesehen war. So half er Patienten, welche kein Geld hatten, indem er sie in Raten bezahlen ließ oder ganz auf seinen Lohn verzichtete. Dr. Fromm hatte den Ruf, „Arzt aus Berufung“ zu sein. Seine Patienten kamen nicht nur aus Luisenthal, sondern auch aus Fenne, Burbach, Ottenhausen, Klarenthal und Völklingen. Außerordentlich beliebt machte ihn sein Einsatz für die Menschen, die in Folge der Wirtschaftskrise Ende der Zwanziger Jahre arbeits- und damit oft auch mittellos waren. So wird berichtet, dass er Medikamente für seine Patienten aus eigener Tasche zahlte und auch Lebensmittel zur Verfügung stellte.

Trotzdem sah sich Dr. Fromm ab 1933 antisemitischer Hetze ausgesetzt, die schließlich in der Reichspogromnacht 1938 in einem Überfall von ca. 30 Personen gipfelte. Sie bewarfen Fenster und Türen mit Steinen, bedrohten und beschimpften ihn, plünderten und verwüsteten sein Haus. Die von seiner Haushälterin Emilie Ferdinand um Hilfe gerufene Polizei nahm beide in „Schutzhaft“. Dr. Fromm wurde zunächst in das Gestapo-Lager Goldene Bremm, später dann in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

Am 1. Dezember wurde ihm die Approbation entzogen. Er musste sein Haus zu einem Spottpreis verkaufen und Deutschland verlassen. Am 5. Januar 1939 emigrierte er in die USA und eröffnete ein Jahr später eine Praxis auf Staten Island, später in New-York-City.

Dr. Rudolf Fromm starb am 20.11.1946 an den Folgen eines im Nachhinein anerkannten „verfolgungsbedingten Körperschadens“. Seine Frau Rose Fromm erhielt nach langem Kampf ab 1967 eine Hinterbliebenenrente. Sie verstarb 1968.

Wegen des Überfalls in der Reichspogromnacht mussten sich 1947 insgesamt neun Personen verantworten. Sechs Täter wurden zu Gefängnisstrafen zwischen vier Monaten und einem Jahr verurteilt, zwei wurden freigesprochen, ein Angeklagter erschien nicht wegen Krankheit.

Inschrift

HIER WOHNTE

ALBERT GRIMM

JG.1906

IM WIDERSTAND

FLUCHTHELFER IM
BESETZTEN POLEN

VERHAFTET 8.12.1941

AUSCHWITZ

ERMORDET 8.9.1942

 

Leben

Albert Grimm, Jahrgang 1906, war als LKW-Fahrer für die Organisation Todt in Polen tätig. Hier hatte er offensichtlich Kenntnis über den Massenmord an Juden in Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern erhalten. Deshalb verhalf er verfolgten Mitmenschen, insbesondere Juden, zur Flucht und leistete Widerstand gegen das NS-System. Am 8. Dezember 1941 erhielten er und ein weiterer Fahrer den Auftrag, eine Ladung Obst und Gemüse von Lemberg in der Ukraine nach Krakau zu transportieren. Auf dieser Fahrt nahmen sie einige Juden mit. In Krakau fiel dies auf. Grimm und sein Beifahrer wurden von der Polizei verhaftet und in das KZ Auschwitz gebracht. Nach vierwöchiger Haft schrieb Albert Grimm am 3. Januar 1942 an seine Frau, er wundere sich, wegen so einer Dummheit so lange eingesperrt zu werden und hoffe, bald frei zu kommen. Albert Grimm bat darum, ihm etwas gute Butter zu schicken, aber nur,wenn es seiner Frau und den Kindern an nichts fehlen sollte. In dem letzten Satz ließ er seine beiden Söhne Albert und Horst grüßen und trug seiner Frau auf, ihnen auszurichten, dass Papa bald nach Hause kommt.

Er setzte auch im KZ Auschwitz seine seine antifaschistische Arbeit fort.

Im September 1942 erhielt Barbara Grimm die Nachricht, dass ihr Ehemann Albert im Krankenbau des KZ Auschwitz verstorben sei. In diesem Schreiben heißt es lakonisch: Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, der Krankheit Herr zu werden. Ihr Ehemann hat keine letzten Wünsche geäußert. Unterzeichnet: Höß, SS-Obersturmbannführer und Lagerkommandant. Albert Grimm starb am 8. September 1942, eine Woche vor seinem 36. Geburtstag.

Inschrift

HIER WOHNTE

HERMANN KAHN

JG. 1888

SCHUTZHAFT 1938

DACHAU

ZWANGSEVAKUIERT

1939 KÖLN

DEPORTIERT 1941

RIGA

ERMORDET

 

Inschrift

HIER WOHNTE

KLARA KAHN

GEB. WEIL

JG. 1881

SCHUTZHAFT 1938

DACHAU

ZWANGSEVAKUIERT

1939 KÖLN

DEPORTIERT 1941

RIGA

ERMORDET

 

Leben Hermann Kahn

Hermann Kahn wurde am 05.07.1888 geboren. Er war verheiratet mit Klara Kahn, geb. Weil. Bis zu seiner Verhaftung am 15.11.1938, ein paar Tage nach der Reichspogromnacht, betrieb er eine Schuhmacherei in der damaligen Dietrich-Eckard Str. (heute Alte Schulstr.) in Völklingen. Nach der Rückkehr aus der „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Dachau fand er sein Geschäft nicht mehr vor. Es war von der Stadtverwaltung abgerissen worden. Hermann Kahn suchte sich eine neue Wohnung und lebte bis zur Evakuierung 1939 in der Moltkestr. 19 in Völklingen. Die Evakuierung verschlug die Eheleute Kahn nach Köln in die Meister-Gerhard-Str. 29. Bei dieser Adresse handelte es sich um ein sog. „Judenhaus“, in dem die Juden auf engstem Wohnraum zusammengedrängt und in Vorbereitung auf die folgenden Deportationen konzentriert wurden. Von hier wurden Hermann Kahn und seine Ehefrau Klara am 07.12.1941 nach ins KZ Riga deportiert und dort ermordet.

Leben Klara Kahn

Klara Kahn wurde am 13.08.1881 geboren. Sie war verheiratet mit Hermann Kahn und wurde zusammen mit ihm am 15.11.1938 verhaftet („Schutzhaft“) und in das KZ Dachau überstellt. Zurück in Völklingen, erfolgte 1939 im Zuge der Evakuierung nach Köln in ein sog. „Judenhaus". Ihre Rückkehr nach Völklingen war allerdings nicht mehr erwünscht. Am 05.07.1940 richtete der damalige Bürgermeister Eder ein Schreiben an die NSDAP-Kreisleitung, in dem er verlangte, dass die acht aus Völklingen evakuierten Juden, darunter Hermann und Klara Kahn, nicht aus der Evakuierung zurückgerufen werden sollten.

Am 07.12.1941 wurde Klara Kahn in das KZ Riga deportiert und dort ermordet.

Leben

Die Kahns waren eine Völklinger Kaufmannsfamilie mit zwei Kindern. Benny Kahn wurde am 18. März 1897 in Kirf bei Trier geboren. Seine Eltern hießen Hermann und Johanna Kahn. Er hatte eine Schwester. Sie hieß Lillian Zilly. Benny erlernte den Beruf des Kaufmanns. Seine Frau Alica wurde am 1. Oktober 1898 in Rustroff im Elsaß geboren. Ihre Eltern hießen Felix und Rosalie Juda. Alica und Benny hatten zwei Kinder, Robert und Odette.

Odette Kahn wurde am 30.November 1927 in Völklingen geboren. Sie ging später in Frankreich auf das Gymnasium Victor-Hugo in Poitiers. Odette war ein ruhiges und schweigsames Mädchen. Sie sprach nicht gerne über den Krieg und hatte nach Zeitzeugenberichten sehr große Angst davor, verschleppt zu werden. Ihr Bruder hieß Robert. Er wurde am 21. September 1930 in Völklingen geboren. Am 28. Juni 1933 flüchtete er zusammen mit seiner Familie aus Völklingen ins benachbarte Frankreich (Sierck les Bains). Dort wohnten sie bis zum Kriegsausbruch 1939. Familie Kahn fand dann zusammen mit den Großeltern der Kinder Unterkunft bei Verwandten in Chasseneuil du Poitou im Westen Frankreichs. Dort wurden sie am 30. Januar 1944 verhaftet und nach Drancy, einem Sammellager bei Paris, verschleppt. Von dort erfolgte die Deportation nach Ausschwitz am 10. Februar 1944 mit dem Transport Nr. 68.

Der Zug erreichte Auschwitz am 12. Februar 1944. Benny, Alica, Robert und Odette Kahn wurden direkt nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet.

Inschrift

HIER WOHNTE

BENNY KAHN

JG. 1897

FLUCHT 1933

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1944

ERMORDET IN

AUSCHWITZ

 

Inschrift

HIER WOHNTE

ALICA KAHN

GEB. JUDA

JG. 1898

FLUCHT 1933

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1944

ERMORDET IN

AUSCHWITZ

 

Inschrift

HIER WOHNTE

ROBERT KAHN

JG. 1930

FLUCHT1933

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1944

ERMORDET IN

AUSCHWITZ

 

Inschrift

HIER WOHNTE

ODETTE KAHN

JG. 1927

FLUCHT 1933

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1944

ERMORDET IN

AUSCHWITZ

Inschrift

HIER WOHNTE

ABRAHAM KAISER

JG. 1880

DEPORTIERT 1941

RIGA-JUNGFERNHOF

ERMORDET

 

Inschrift

HIER WOHNTE

MINNA KAISER

GEB. BERMANN

JG. 1877

DEPORTIERT 1941

RIGA-JUNGFERNHOF

ERMORDET

 

Leben Abraham und Minna Kaiser geb. Bermann

Abraham Kaiser wurde am 24.05.1880 in Niedenstein/Hessen-Nassau geboren. Er war verheiratet mit Minna Kaiser, geboren als Minna Bermann am 12.03.1877 in Osann an der Mosel.

Die beiden betrieben in Völklingen-Fürstenhausen ein Wäschegeschäft mit Schneiderei und waren gut in die Dorfgemeinschaft integriert. In der Reichspogromnacht wurde das Ehepaar Kaiser wie alle anderen Völklinger Juden in „Schutzhaft“ genommen und ins KZ Dachau verschleppt. Hier waren sie vom 15.11.1938 – 02.12.1938 inhaftiert. Zurück in Völklingen wurden sie im Zuge der Evakuierung im September 1939 gezwungen, ihre Sachen zu packen und in ein sogenanntes „Judenhaus“ nach Köln zu ziehen. Von dort übersiedelten sie bereits im Oktober 1939 nach Nürnberg, wo sie bis zu ihrer Deportation am 29.11.1941 wohnten. Ihre Spur verliert sich im KZ Riga-Jungfernhof/Lettland.

In der Zentralen Datenbank der Holocaustopfer Yad Vashem werden beide als Opfer der Shoah geführt.

Inschrift

HIER LERNTE

FRITZ LIESER

JG. 1915

FLUCHT 1935

FRANKREICH

VERHAFTET 1942

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1942

AUSCHWITZ

ERMORDET 17.11.1942

 

Leben

Fritz Lieser wurde am 18. November 1915 in Völklingen geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Samuel Lieser und seine Mutter Emmi, geborene Meyer. Sie führten in der Poststraße 13 ein Textil- und Konfektionsgeschäft.

1935, im Jahr der Rückgliederung des Saargebietes an Nazideutschland, wurden sie gezwungen, ihr Geschäft zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes zu verkaufen. Sie emigrierten mit ihren beiden Söhnen Fritz und Rudolf am 12.12.35 nach Frankreich. Doch auch dort waren sie aufgrund des Kriegsverlaufs nach 1939 nicht mehr vor Verfolgung sicher. Familie Lieser musste Straßburg verlassen und floh nach Vichy, von dort nach LePuy. Der Sohn Rudolf trat in die französische Armee ein.

Fritz wurde dagegen am 25. August 1942 in Le Puy verhaftet und über das berüchtigte französische Sammellager Drancy in das KZ Auschwitz transportiert. Dort wurde er am 17.11.42 ermordet.

Im Februar 1948 kehrten die Liesers nach Völklingen zurück und stellten einen Antrag auf Entschädigung wegen Freiheitsschadens. Dieser wurde mit einem Vergleich beendet: Familie Lieser erhielt einen Betrag von 300,- DM als einmalige Abfindung.

Leben

Gitta Ostrolenk wurde am 12.08.1871 (möglicherweise auch am 12.4.1871) in Radomsk/Polen geboren. Mit 21 Jahren heiratete sie Heinrich Ostrolenk. Die beiden hatten vier Kinder: Leon, Rosa, Felix und Herz Maier. Die Familie lebte seit 1909 in Stuttgart und ab 1925 in Völklingen. Hier eröffnete Heinrich ein Konfektionsgeschäft, das er bis zu seinem Tod Anfang der 30er Jahre betrieb. Sein Sohn Leon führte das Geschäft bis zu seiner Flucht nach Forbach/Frankreich im Jahre 1935 weiter.

Léons Schwester Rosa war bereits 1934 nach Paris geflüchtet. Sie überlebte und starb dort 1961.

Die Mutter Gitta Ostrolenk emigrierte 1939 nach Forbach, Bruder Felix im Juli 1939 nach Polen. Gitta Ostrolenk wurde 1942 vom Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Felix wurde am 7.11.39 in Polen verhaftet, zunächst in das KZ Sachsenhausen verschleppt, von hier aus in das KZ Dachau und schließlich nach Buchenwald, Außenlager Mittelbau-Dora. Felix Ostrolenk wurde am 17.10.1942 im Alter von 28 Jahren ermordet.

Leon Ostrolenk kehrte nach dem Krieg nach Völklingen zurück und baute ein neues Geschäft in der Rathausstraße auf.

Inschrift

HIER WOHNTE

GITTA OSTROLENK

GEB. KATZ

JG.1871

FLUCHT 1939

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1942

ERMORDET IN

AUSSCHWITZ

 

Inschrift

HIER WOHNTE

ROSA OSTROLENK

JG. 1906

FLUCHT 1934

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1942

AUSSCHWITZ

BEFREIT / ÜBERLEBT

 

Inschrift

HIER WOHNTE

FELIX OSTROLENK

JG.1914

VERHAFTET 1939

SACHSENHAUSEN

1941 DACHAU

1942 BUCHENWALD

DEPORTIERT 1942

ERMORDET IN

AUSCHWITZ

Inschrift

HIER WOHNTE

JUTTA SPEICHER

JG. 1921

IM WIDERSTAND

VERHAFTET 1944

RAVENSBRÜCK

ERMORDET 2.3.1945

 

Leben

Jutta Speicher wurde am 25. August 1921 geboren. Sie wuchs in einer Familie auf, die geprägt war von einer antifaschistischen Grundeinstellung. Auch in ihrer Nachbarschaft und im Freundeskreis war sie von Berg- und Hüttenarbeitern umgeben, die gegen die Nazis eingestellt waren. Ihr Vater war Dirigent eines großen Arbeiterchores, in dem die Lieder der Arbeiterbewegung gesungen wurden, sie selbst war Mitglied eines Arbeitersportvereins. Dieses Umfeld prägte sie. Die Schreckensmeldungen von Krieg, Hunger und Elend und die sichtbare Not der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in Völklingen ließen Jutta Speicher nicht gleichgültig. Sie äußerte kritisch ihre Meinung, machte ihrer Wut über das verbrecherische NS-Regime Luft und wurde schließlich von der Gestapo verhaftet. Anfang 1945 erhielt ihre Mutter einen Brief aus dem KZ Ravensbrück. Man teilte ihr mit, ihre Tochter Jutta sei am 02.03.1945 verstorben.

Jutta Speicher war 23 Jahre alt, als sie von den Nazis ermordet wurde.

Inschrift

HIER WOHNTE

JOSEF SCHIRRA

JG. 1889

IM WIDERSTAND / KPD

FLUCHT 1935

FRANKREICH

VERHAFTET 1941

DEPORTIERT DACHAU

ERMORDET 18.6.1942

MAUTHAUSEN

 

Leben

Josef Schirra wurde am 02. Februar 1889 in Völklingen geboren. Er war in zweiter Ehe mit Katharina Zey verheiratet und hatte insgesamt 4 Kinder.

Bis 1927 arbeitete er als Walzer bei den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken, von 1928 bis 1935 als Gemeindearbeiter bei der Stadt Völklingen. Josef Schirra war von 1926-1929 Fraktionsvorsitzender der KPD in Völklingen und von 1932 – Januar 1935 Mitglied des Völklinger Gemeinderates. Im Abstimmungskampf setzte er sich aktiv gegen den Anschluss an Hitlerdeutschland ein. Nach der Saarabstimmung 1935 floh er zusammen mit seiner Familie vor der drohenden Verfolgung durch die Nazis nach Frankreich. Er fand 1939 Arbeit im Röhrenwerk von Montbard (Departement Côte-d’Or), wo er bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo am 28. Mai 1941 arbeitete. Josef Schirra wurde zunächst nach Saarbrücken, anschließend nach Dachau und schließlich in das Konzentrationslager Mauthausen (Österreich) gebracht. Am 20. Juni 1942 erhielt seine Frau Katharina von dort die Nachricht, dass ihr Mann am 18. Juni 1942 an einer Rippenfellentzündung gestorben sei.

Inschrift

HIER WOHNTE

BENJAMIN BENNO

WANG

JG. 1915

FLUCHT 1935

FRANKREICH

INTERNIERT DRANCY

DEPORTIERT 1942

AUSCHWITZ

ERMORDET 8.10.1942

 

Leben

Der jüdische Student Benjamin Wang wohnte von Februar 1933 bis September 1935 in der Burgstr. 17 auf dem Heidstock.

Benno Wang wurde am 19.5.1915 in Völklingen geboren. Er verlor seine Mutter im Alter von 6 Jahren, sein Vater starb 4 Jahre später, so dass der kleine Junge bereits mit 10 Jahren Vollwaise war. Bis 1933 lebte er in Frankfurt, das er nach der Machtergreifung der Nazis verließ, um sein Leben zu retten. Er flüchtete in das damals unter Völkerbundverwaltung stehende Saargebiet. In Völklingen lebten Verwandte von ihm und so suchte er sich dort ein kleines Zimmer, das er im Dachgeschoss des Hauses von Lorenz Klein fand. Doch nach der Saarabstimmung 1935 war er auch hier nicht mehr sicher. Er emigrierte nach Paris, studierte Kunst, verliebte sich und heiratete. Als die Nazis Frankreich besetzen, war er als Jude erneut in Gefahr, eine Flucht offenbar nicht mehr möglich. Benno Wang wurde in Paris verhaftet und am 17.7.1942 vom Sammellager Drancy aus nach Auschwitz deportiert. Er starb am 08.10.1942.

Länge der Stolperschwelle: 76 cm

Inschrift

RÖCHLINGSCHE EISEN-UND STAHLWERKE 1941-1944
ZWANGSARBEIT FÜR DEN DEUTSCHEN ENDSIEG
TAUSENDE MÜSSEN UNTER ZWANG FÜR DIE DEUTSCHE RÜSTUNG ARBEITEN
UNTERERNÄHRT - MISSHANDELT - ARBEITSUNFALL - KRANK
HUNDERTE VERLIEREN IHR LEBEN

 

Die Stolperschwelle soll an die Tausende von Zwangsarbeiter*innen erinnern, die - von den Nazis mit Gewalt aus ihrer Heimat verschleppt - bei den Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken unter menschenunwürdigen Bedingungen die Kriegsproduktion aufrechterhalten mussten. Unterernährt und in schlechtem gesundheitlichen Zustand mussten sie täglich bis zu zwölf Stunden Schwerstarbeit verrichten, oft genug vom Werkschutz misshandelt und gedemütigt. Berüchtigt war der Leiter des Lagers Schulzenfeld, der Zwangsarbeiter mit Handschuhen verprügelte, die mit Steinen gefüllt waren. Wer um Brot bettelte oder die Arbeit verweigerte kam in das Straflager Etzenhofen. Ein zwölfjähriger russischer Junge hatte drei Kartoffeln aufgesammelt und musste dafür 56 Tage nach Etzenhofen.

Die hygienischen Verhältnisse in den Baracken waren völlig unzureichend. Viele Zwangsarbeitende starben an Tuberkulose, Diphterie oder anderen Infektionskrankheiten. Auf der Opferliste sind als weitere Todesursachen „Freitod durch Erhängen“, „Selbstmord durch Gasvergiftung“, „Zertrümmerung des Schädels“ , häufig auch „Tödlicher Unfall“ genannt. Als Todesursache der zwei Monate alten Elisaweta Borikow ist „Unterernährung“ vermerkt. 14 Zwangsarbeiter*innen kamen am 16. Juli 1944 bei einem Fliegerangriff ums Leben, dem sie ungeschützt ausgesetzt waren.

Der Verlegung der Stolperschwelle gingen öffentlich geführte Auseinandersetzungen mit dem damaligen Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte voraus. Dr. Meinrad-Maria Grewenig sprach sich gegen die Verlegung der Stolperschwelle an einem der Haupteingänge zum Weltkulturerbe aus. Sie gefährde die Verkehrssicherheit der Fußgänger, der vorgesehene Platz sei würdelos, die Inschrift unangemessen. Dennoch wurde am 19.08.2014 die Stolperschwelle unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit verlegt.

Inschrift

HIER WOHNTE

ROBERT MÜLLER

JG. 1897

SEIT 1909 IN MEHREREN

HEILANSTALTEN

„VERLEGT“ 2.9.1944

HEILANSTALT HADAMAR

ERMORDET 15.9.1944

 

Leben

Robert Müller wohnte bis zum 9. Lebensjahr bei seinen Eltern und Geschwistern. Aufgrund einer Lern- und geistigen Behinderung veranlasste der damalige Völklinger Bürgermeister 1909 die Einweisung des Jungen in die Pflegeanstalt Hephata bei Mönchengladbach. Weit entfernt von seiner Familie wurde er hier bis zu seinem 43. Lebensjahr versorgt und betreut. Kontakt zu seinen Eltern hatte er nicht mehr.

Am 12.07.1943 erfolgte Robert Müllers Verlegung in die Heil- und Pflegeanstalt Scheuern bei Nassau, am 2.9.1944 eine weitere nach Hadamar. Ein paar Tage später, am 15.09.1944 wurde dort in seiner Krankenakte vermerkt: „Erholt sich nicht mehr, heute Exitus“.

Robert Müller wurde Opfer der sogenannten „wilden Euthanasie“ der Nazis, mit der nach dem Ende der Aktion T4 im August 1941 die Krankenmorde dezentral fortgesetzt wurden und zwar durch Mangelernährung, Medikamentenversuche oder Misshandlungen.

Inschrift

HIER WOHNTE

MARIA BARBARA

MEYER

JG. 1904

SEIT 1927 IN MEHREREN

HEILANSTALTEN

„VERLEGT“ 16.8.1944

HEILANSTALT HADAMAR

ERMORDET 6.9.1944

 

Leben

Barbara Maria Meyer zeigte im Alter von 23 Jahren plötzliche Verhaltensauf-fälligkeiten. Mit der Diagnose Schizophrenie wurde sie in das Landeskrankenhaus Merzig eingewiesen, wo sie zehn Jahre lang lebte. Es folgten etliche Verlegungen in verschiedene Pflegeanstalten, die alle nur Zwischenstationen auf dem vorgezeichneten Weg in den Tod waren. Am 16.08.1944 wurde Barbara Maria Meyer in Hadamar eingewiesen und bereits am 06.09.1944 heißt es in einem Telegramm an die Eltern: „Die oben genannte ist heute in der hiesigen Anstalt verstorben“.

Inschrift

HIER WOHNTE

ALFRED KÖCHER

JG. 1928

SEIT 1936 IN MEHREREN

HEILANSTALTEN

„VERLEGT“ 20.2.1943

HEILANSTALT HADAMAR

ERMORDET 11.3.1943

 

Leben

Am 17.02.1928 kam Alfred Köcher als gesundes Baby zur Welt. In seiner 12. Lebenswoche stellten sich Gehirnkrämpfe ein, die zu massiven Schädigungen führten. Er lernte erst mit zweieinhalb Jahren laufen, verlor sein Gehör und lernte nie sprechen. Nach dem kurzen Besuch der Taubstummenanstalt in Neuwied kam er im Alter von acht Jahren in die Pflegeanstalt Hephata bei Mönchengladbach. Bereits nach einem Jahr wurde er erneut verlegt – in die Heilanstalt Scheuern/Nassau, wo er 6 Jahre lang blieb. Während dieser Zeit hielten die Eltern Kontakt mit ihm, schrieben ihm Briefe und erkundigten sich beim Anstaltspersonal über den Zustand ihres Sohnes.

Am 20.02.1943 erfolgte die Einweisung nach Hadamar, wo er am 11.03. ermordet wurde.